März 16

Die Zeit ist um

Ich lebe noch, so ist es nicht. Aber die letzten Wochen und Monate waren schwer, das muss ich zugeben. Das Buch ist noch weiterhin in der Schreibe und nebenbei habe ich einige Krimidinner verfasst, zu denen ich in nächster Zeit auch etwas posten werde.

Aber an dieser Stelle schreibe ich heute eine kleine.. nennen wir es Kurzgeschichte. Inspiriert vom Song „You Found Me“ von The Fray. Der Text hing mir irgendwie im Kopf und manchmal muss man die Worte dann auch einfach niederschreiben, um wieder Platz für andere Dinge zu haben.

Da stand er. Einfach so an der nächsten Straßenecke. Ganz unscheinbar mit To-Go-Becher in der Hand, schwarzen Kapuzenpulli unter einer Sportjacke. Vermutlich gegen den Wind. Graue Jeans, schwarze Vans des Standardmodells. Wie ein einfacher Großstädter eben an einem S-Bahn-Eingang stehen konnte. Fehlt eigentlich nur die Zigarette in der Hand. Aber ich konnte ihn mir gar nicht als Raucher vorstellen, obwohl ich nicht wusste, warum.

„Keine Nachricht von dir. Kein Anruf. Hab ich dir irgendwas getan?“ Meine Worte kamen schnell und direkt. Wie bei einem Faustkampf. Die Botschaft dahinter war aber eher ein verzweifeltes Flehen als eine harte Konfrontation. Dafür fehlte mir schlicht die Kraft. War er gerade angekommen oder wollte er los, schoss es mir durch den Kopf.

„Frag‘ was anderes. Lass mich in Ruhe damit.“

Ich hatte eine kühle Antwort erwartet, aber nicht so etwas kaltes und abweisendes. Ich versuchte, nicht die Fassung zu verlieren. Stand still da. Unterdrückte ein Zittern am Körper. Blickte in seine leeren Augen.

„Was erwartest du nach all dem? Was soll ich dich sonst fragen?“ Ich hatte viel zu viele Fragen im Kopf. Nach dem Warum, dem Wieso, Weshalb. Konnte sie gar nicht alle zählen, geschweige denn stellen. Mir blieb nur dieser kurze Augenblick. Es fiel mir schwer, klar zu denken. Emotionen kamen in mir hoch, ich wusste nur nicht welche. Wut? Angst? Trauer oder doch Verzweiflung? Ein teuflisches Gemisch aus allem war wohl die wahrscheinlichste Antwort – zumindest auf diese Frage.

Er starrte weiter auf seinen Becher in der Hand. Ich wunderte mich, ob da überhaupt noch etwas drin war. Er schwenkte die Hand mit dem Becher hin und her, als hätte er es selbst in diesem Moment herausfinden wollen. Was er allerdings nicht tat, war mir zu antworten.

„Ich hab so lange auf ein Zeichen von dir gewartet. Egal was oder wie. Irgend eins. Aber nichts. Nichts.“ Ich verlor immer mehr die Geduld. Und die mir noch gebliebene Kraft. Die Worte wurden schwächer, obwohl ich sie mit immer mehr Kraft betonen wollte, um endlich eine Antwort zu bekommen. Aber sie kam nicht. Er sah mich nur an und schwieg.

„Wo warst du, als alles anfing?“ Ich stammelte nur noch. Sein Blick war fest. Fest und weiterhin kalt. Und ich wusste nicht warum. Was hatte ich ihm getan, dass er mich so behandelte? So kalt abwies. War ich so ein schlechter Mensch und ich wusste nichts davon? Er trank einen Schluck aus seinem Becher, schwenkte ihn erneut hin und her und entsorgte ihn dann in dem nebenstehenden Mülleimer. War er jetzt vielleicht bereit, mir eine Antwort zu geben?

„Bitte, sag etwas dazu. Ich muss es wissen.“ Da war es: mein Flehen. Ich kam nicht drumherum. Ich konnte nicht anders. Mittlerweile nahm wohl die Verzweiflung die Überhand in dem Cocktail aus Gefühlen. Sein Blick war auf den Mülleimer gerichtet. Als hätte er eben etwas sehr wichtiges weggeschmissen. Seine Ausrede. Etwas zum Verzögern.

Sein Kopf drehte sich zu mir und direkt in dem Moment, als sich unsere Blicke trafen, zuckte er mit den Schultern, schniefte verachtend und schaute wieder weg. Ich sah ein kleines Lächeln auf seinen Lippen. Er biss sich auf die Unterlippe. Ich mir vor Verzweiflung und Angst auf die Zunge.

„Bitte.“ Mehr konnte ich nicht mehr hervorbringen. Ich hatte keine Kraft mehr. Keinen Willen. Gebrochen, ja, das war ich. Am Ende. Und mir lief die Zeit davon. Konnte nicht mehr lange auf eine Antwort warten. Brauchte sie jetzt. Aber er sah nicht danach aus, als würde ich sie je bekommen. Er hatte seine Hände in die Bauchtasche seines Pullovers gesteckt, ein Bein angewinkelt gegen die hinter ihm stehende Wand des S-Bahn-Eingangs gestemmt.

Ich flehte ihn mit meinem Blick an. Aber er sah ihn gar nicht, schaute nur stur nach vorne und in den Himmel. Hatte er mich überhaupt je richtig gesehen?


Copyright 2021. All rights reserved.

Veröffentlicht16. März 2021 von Flip in Kategorie "Uncategorized

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert